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Der Zeitungskrise trotzen – Spaziergang durch Europas Blätterwald

Wiener Kongress untersucht Lage der Zeitungen im digitalen Zeitalter

Der Europäische Zeitungskongress präsentiert in diesem Jahr wieder herausragende Beispiele aus der europäischen Zeitungswelt. Chefredakteure, Designer und Konzeptionisten zeigen am 11. „European Newspaper Congress“ vom 25. bis 27. April 2010 in Wien die neuesten Informationen, Hintergründe, Trends und Projekte der Zeitungsbranche.

Themenschwerpunkte der Vorträge und Foren in diesem Jahr:  Ob klassisch oder revolutionär – die besten Konzepte für Zeitungen, wie Journalismus finanzierbar bleibt, neue Ideen für Bilder und Infografiken sowie die journalistische und wirtschaftliche Neuentdeckung des Lokalen. Es gilt wohl: je globalisierter die Welt, umso wichtiger werden die regionalen Beziehungen. Ein gutes Vorzeichen für die schon totgeglaubte kommunale und lokale Berichterstattung.

Lokalnachrichten aus dem Kaffehaus

Die Idee ist einzigartig: In mehreren tschechischen Städten werden derzeit Zeitungen in eigens dazu eingerichteten Kaffeehäusern produziert. Bis zum Sommer sollen150 so genannte Newsroom-Cafés mit angeschlossener Lokalzeitung eingerichtet werden.

Diese Newsroom-Cafés befinden sich jeweils am Hauptplatz oder in der Einkaufsstraße und stehen für ihre Gäste von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends offen. In einem Newsroom-Café arbeiten neben den Service-Kräften fünf bis sieben Redakteure und ein Chefredakteur. So kann jeder, der ein Problem hat, ein neues Projekt vorstellen oder über Dinge berichten, die ihm aufgefallen sind. Lokaljournalismus kommt also zurück auf die Straße und entsteht dort, wo die Themen Menschen direkt betroffen sind.

Neben dem gastronomischen Angebot lässt sich der Aufenthalt in einem solchen Cafe für Gäste auch für ein Gespräch mit den Redakteuren nutzen. Für die Journalisten entsteht dabei eine völlig neue Rolle. Sie werden zu Community-Managern. Ein Drittel der jeweils am Montag erscheinenden Wochenzeitung wird auf diese Weise gemeinsam mit den Lesern gestaltet. Daneben bietet die Zeitung praktische Informationen und Service – aber auch Investigatives.

Gesteuert wird das Projekt vom „Futuroom“ in der Prager Zentrale von PPF Media. Von hier aus werden die Redaktionen vor Ort grafisch und technisch unterstützt. Der „Futuroom“ dient aber auch zur Weiterbildung. Die Journalisten aus den Lokalredaktionen besuchen etwa einmal pro Monat in der Zentrale Workshops, denn das erklärte Ziel von Projektentwickler Roman Gallo ist es, Qualitätsjournalismus auf lokaler Ebene zu machen.

Weitere Themen aus dem Schwerpunkt „Lokalinformation“

  • Die Neuentdeckung des Lokalen – Wie Verlage und Redaktionen bislang ungenutztes und unerkanntes Potenzial wirtschaftlich und journalistisch ausschöpfen können, zeigt Joachim Blum, WAN-IFRA Associate Consultant.
  • Die Meisterklasse der Lokalinformation – “Smålandsposten” ist ein Lokalblatt, das sich nicht in weltpolitische Fragen vertieft, sondern die Geschehnisse in der Umgebung aufstöbert.
  • Mit lokalen Inhalten zum Erfolg! Mit welchen Ideen kann ein lokales Zeitungshaus auch in Zukunft gegen globale Medienriesen bestehen? Christian Ortner, Chefredakteur der „Vorarlberger Nachrichten“ zeigt Wege auf.

Weitere Themen des europäischen Zeitungskongresses 2010:

  • Europas Zeitungstrends 2010 – Zeitungsdesigner Norbert Küpper nimmt uns mit auf eine Rundreise durch einen kreativen Kontinent.
  • Das klassische Konzept: Zeitung als pures Lesevergnügen – Die „Stuttgarter Zeitung“ hat ihre langen Texte beibehalten, steigerte die Qualität bei der Typografie und ist beim Einsatz von Bildern noch immer sehr vorsichtig.
  • Das revolutionäre Konzept: Die Kraft neuer Ideen – Die Redaktion von „i informação“ setzt komplett auf die Kraft neuer Ideen. Alternative journalistische Stilformen, neue Sektionen, ein modernes, randloses Layout, das am Internet orientiert ist.
  • Multimediale Geschichten und was Print davon lernen kann – Das Internet spielt als Motor journalistischer Innovationen im Bereich des Storytelling eine wichtige Rolle. Doch auch Print hat Potenzial, das viel zu wenig genutzt wird.
  • European Publishers Forum: Wie bleibt Journalismus finanzierbar? Online-Erlösmodelle, die Großredaktion, Recherchepools – Experten-Panel.
  • European Editors Forum: Wie unabhängig ist Journalismus? Arbeiten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik, Recht und Gesellschaft.