Ehec wütet nun schon viel zu lange als dass es das Thema noch auf die Titelseiten schafft. Allerdings machen wir Deutschen uns noch immer in die Hose. Nachdem zunächst spanische Gurken beschuldigt wurden, unser sensibles Gedärm zu ruinieren, ist nun die Ursache nun im asiatischen Sprossengemüse lokalisiert worden. Für die Welt am Sonntag hatte ich mich am 27. Mai 2011 in Andalusien auf eine Paparazza-Tour quer durch Almerias Gurkenplantagen begeben. Und zwar zu einem Zeitpunkt als das Gesundheitsamt in Niedersachsen die spanische Gurke zum Teufelszeug erklärte. Das spanische Landwirtschaftsministerium und das andalusische Umweltamt war natürlich auch aufgeregt und durchforstete alle Gewächshäuser. Man nahm Boden- und Wasserproben, um den Ehec-Keim zu finden. Aber nix da! Nix war verkeimt.
Auch mir schwante längst, an den Gurken kanns nicht liegen. 40 Millionen Spanier aßen ihre Gurken und verdauten diese ausgezeichnet, während man sich in Alemania in die Hosen machte. Meine Berichterstattung von der Gurkenfront übers Wochenende griff also den Tatsachen vor. Ich schlug mich auf die Seite der Andalusier und ließ die Bauern schimpfen: Unsere Gurken sind nicht schlecht!
Meine Tour führte mich denn durch die moderne Sklaverei – da schimpfen die Europäer über die mexikanischen Billigarbeiter in den USA – und dulden selbst die menschenfeindlichsten Arbeitsbedingungen, damit eine Gurke für 70 Cent verkauft werden kann. Im verlogenen Europa ist es keinen Deut besser. Ich sprach mit marokkanischen Immigrantenkindern, Biobauern, die nun auf ihrem Gemüse sitzen blieben und den Bauern, die ihre Zelte in der Wüste von Almeria aufgebaut haben. Alle waren recht wütend auf die Deutschen, die der Gurke zu Unrecht und zu schnell den Krieg erklärt hatten. Deutschland kauft sonst rund 60 Prozent der Ernte ab. Aber nun wurden tonnenweise Gurken vernichtet – außer Gurken wurden auch Auberginen und Zucchini der globalisierten Paranoia geopfert. Im Gewächshausmeer von Campohermoso türmten sich die verschmähten Gemüseberge nun für die Ziegen der Marokkaner als Futter auf. Schön, zu sehen, wie sich die Armen immer wieder auf ihre Art durchschlagen.
Im Zuge der fieberhaften Suche nach dem Ehec-Keim wandte sich die Medien-Welt aufgrund neuer Verdächtigungen wieder von den Spaniern ab. Die Gurke als Ehec-Erreger war dann doch bald passe (und verramscht) und für mich gabs nichts mehr zu berichten. Dabei sind die Umstände, wie Europas Gemüse von marokkanischen Schwarzarbeitern gezüchtet wird, der eigentliche Skandal. Das Krankenhaus von Almeria ist das am schnellsten wachsende Hospital in Spanien. Die vielen spezifischen Tumorfälle der Patienten werden auf den massiven Einsatz der Pestizide in den Gewächshäusern zurückgeführt. Die meisten Krebsfälle werden bei den Menschen gezählt, die in dieser hochindustrialisierten Landwirtschaft arbeiten müssen. Der britische Guardian hatte am 7. Februar 2011 dazu berichtet und in der Branche für einigen Wirbel gesorgt.
Es war nicht leicht in der Gegend noch offene Interviewpartner zu finden. Ich war erstaunt, wie freundlich die Leute trotz des Gurkenkrieges mir als deutscher Journalistin begegneten. Ein komisches Gefühl bleibt trotzdem: Die Bild verteufelt Spaniens Gurken, während ich in der Welt für deren Unschuld plädiere. Alles möglich unter einem Dach im Springerhaus.
Hier ein Bild der Berber-Ziegen, die es nicht ins Blatt geschafft haben. Die Gemüseverwertung war am 27.Mai 2011 noch kein Thema für die aktuelle Berichterstattung. Ein typischer Fall von: zu früh berichtet oder einfach ein zu schlechtes Foto.